aktuelle SKOS Richtlinien

Schwerpunktthema 2022 Schulden

Die Problematik der Verschuldung von unterstützten Personen war ein weiteres Schwerpunktthema für die SKOS: Die Vorstandsretraite im April 2022 fand daher zum Schwerpunkt «Schulden und Sozialhilfe» statt. Schulden sind unter Sozialhilfebeziehenden weit verbreitet. Gemäss einer im Jahr 2022 erschienenen Studie der FHNW hatten im Jahr 2019 von schweizweit 1094 befragten antragsstellenden Sozialhilfebeziehenden rund 60 Prozent Schulden. Sie sind somit fünfmal häufiger verschuldet als die übrige Bevölkerung in der Schweiz. Die Schulden betreffen vor allem die Krankenversicherung und Steuern. Auch Schulden betreffend Miete und private Darlehen im persönlichen Umfeld kommen häufig vor. Zudem wurde in der Studie deutlich, dass verschuldete Haushalte in der Sozialhilfe weniger Rücklagen haben als nicht Verschuldete, um überraschende Rechnungen zu begleichen. Weil der Vermögensfreibetrag betreibungsrechtlich pfändbar ist, besteht die Gefahr, dass noch mehr Schulden entstehen. Weiter wurde in der Studie festgestellt, dass verschuldete Personen deutlich später einen Sozialhilfeantrag stellen als nicht verschuldete.

Herausforderung und Handlungsmöglichkeiten für die Sozialhilfe

Neben der Existenzsicherung hat die Sozialhilfe den Auftrag, die berufliche und soziale Integration bedürftiger Menschen zu unterstützen. Diesen Auftrag zu erfüllen gestaltet sich bei überschuldeten Sozialhilfebeziehenden als besonders anspruchsvoll, einerseits aufgrund der psychosozial belastenden Wirkung eines vorhandenen Schuldenbergs und andererseits aufgrund des systembedingten Fehlanreizes infolge der Lohnpfändung, die bei Antritt einer neuen Arbeitsstelle droht. Umso wichtiger ist die Schuldenberatung von Sozialhilfebeziehenden in Überschuldungssituationen. Im Rahmen der persönlichen Hilfe kann die Verschuldungssituation analysiert werden. Neuverschuldung im Sozialhilfebezug soll möglichst verhindert werden und Ratenzahlungen aus dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum sollen auf Ausnahmen beschränkt werden. Auch das Identifizieren und Bestreiten von allfälligen unbegründeten oder überhöhten Forderungen das Ausarbeiten einer Entschuldungsstrategie sind Elemente der Beratung. Da es hierfür spezifisches Fachwissen und Zeit braucht, haben einige Sozialdienste eine enge Zusammenarbeit mit Schuldenberatungsstellen etabliert.

Veränderung auf Systemebene

Die Sozialhilfe kann die Schuldenproblematik nicht im Alleingang lösen, sondern ist auf systemische Veränderungen angewiesen. Als Lösungsansätze auf nationaler Ebene schildert die SKOS in ihrem Grundlagenpapier (2021) drei Möglichkeiten: Eine bessere Abstimmung des Steuersystems und des Betreibungsrechts mit der Sozialhilfe, Prävention durch freiwilligen Direktabzug der Einkommenssteuer und ein Restschuldbefreiungsverfahren. Letzteres soll mit der Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) neu eingeführt werden. Die SKOS hat sich im August 2022 an der Vernehmlassung beteiligt und beurteilt die Vorlage insgesamt als positiven und wichtigen Schritt, um Verschuldeten eine Perspektive auf ein Leben über dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum zu geben. Leider werden in der Gesetzesvorlage Sozialhilfeschulden nicht in das Restschulverfahren einbezogen. Es ist der SKOS ein wichtiges Anliegen, dass in bestimmten Fällen eine Restschuldbefreiung bei Sozialhilfeschulden erfolgt: Rechtmässig bezogene Sozialhilfeleistungen sollen im Falle günstiger Verhältnisse nach der Ablösung aufgrund eines Erwerbseinkommens aus dem Ausnahmekatalog der Restschuldbefreiung gestrichen werden. Zudem fehlt aus Sicht der SKOS die Erwähnung der sozialen Begleitung in der Gesetzesvorlage.

Auch die Kantone haben Handlungsspielraum, um die Situation Verschuldeter zu beeinflussen. Der Kanton Neuchâtel beispielsweise hat 2020 ein «Gesetz über die Bekämpfung und Prävention der Überschuldung» verabschiedet. 2021 ist es in Kraft getreten und umfasst die drei Schwerpunkte Prävention, Früherkennung und finanzielle Sanierung. Personen mit Überschuldungsrisiko werden Gutscheine für eine kostenlose Begleitung durch Expertinnen und Experten für Budget- und Schuldenmanagement abgegeben. In der ZESO 3/22 wurde darüber berichtet.

Zur Autorin:
Andrea Beeler ist seit 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich «Grundlagen» bei der SKOS und Co-Projektleiterin der Weiterbildungsoffensive. Sie hat einen Bachelor in Sozialarbeit/Sozialpolitik und einen Master in Soziologie. Im Nebenfach hat sie Deutsch als Fremd- und Zweitsprache studiert und die Ausbildung zur fide-Sprachkursleiterin im Integrationsbereich absolviert.

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